Montag, 27. April 2009

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Einst gab es einen Ort, man nannte ihn Paradies. Menschen, die sich ein besseres Leben erhofften, kamen von weit her, nahmen grosse Strapazen auf sich, um diesen Ort zu finden. Und jene, die ankamen, wurden nicht enttäuscht. Das Paradies war reich an Wasser, Licht, Wärme und schattigen Plätzen, die Früchte sprossen, es gab immer genug zu essen, und niemand vor dem man sich in Acht nehmen musste.

Die Menschen, die den Ort erreicht hatten, waren die glücklichsten Menschen auf der Erde. Sie konnten endlich ausruhen, endlich so viel essen bis sie satt waren, endlich einschlafen ohne von Sorgen über den nächsten Tag geängstigt zu werden. Und sie begannen, ihre Reize zu erkennen, die attraktiven Figuren und Ausstrahlungen von Frauen und Männern. Und so genossen sie auch ihre Liebe, unbesorgt und freizügig.

Als sich jedoch die Konsequenzen ihres Tuns zu zeigen begannen, veränderte das ihre Einstellung. Die Frauen, die Kinder gebaren und aufzogen, mussten erkennen welche grosse Anstrengung das war. Und so wurden sie wählerischer, nur noch selten und mit des besten Männern wollten sie sich paaren. Was wiederum dazu führte, dass die Männer in einen Wettstreit gerieten, sie begannen, Teile des Paradieses für sich zu beanspruchen, um so Vorteile gegenüber anderen Männern zu bekommen. Dazu kam dann noch, dass die Menschen so viele geworden waren, dass der Platz und auch das Essen manchmal knapp wurde. Streitigkeiten begannen auszubrechen, Neid und Misstrauen trieb die Menschen an.

Die meissten Menschen konnten sich noch erinnern, weshalb sie in's Paradies gekommen waren, und wie friedlich die Zeit damals war. Sie erkannten den Unterschied der jetztigen Entwicklung, und sie entschlossen sich, wieder einen friedlicheren Zustand herzustellen. Die Erinnerung an's alte Paradies nahmen sie sich als Ziel, und dem ordneten sie ihre Gewohnheiten und Triebe unter. Sie sorgten für eine gerechte Aufteilung von Essen, Trinken und Platz. Und sie regelten die Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Je ein Mann und eine Frau sollten in einer Beziehung leben. Um sicherzustellen dass dies allgemein bekannt war und jene welche die gerechte Ordnung zerstören wollten bestraft werden konnten, wurde die Paarbildung von Männern und Frauen in einer öffentlichen Zeremonie durchgeführt, und Kontakte zwischen Männern und Frauen ohne solche Beziehung wurden verboten.

So schafften es die Menschen tatsächlich, wieder Ruhe in's Paradies zu bringen. Es dauerte zwar eine Weile bis man sich an die Regeln gewohnt hatte, aber dadurch dass alle daran Teil nahmen, und weil man auch eindrucksvolle Zeremonien entwickelt hatte, stellte sich eine stabile Ordnung ein. Die Menschen waren wieder für eine Zeit lang glücklich.

Aber nicht mehr alle waren unbesorgt. Besonders die älteren Menschen, welche mit den Zeremonien und der Einhaltung der Ordnung betraut waren, wussten um die Gründe für ihre Aufgabe. Und dies trieb sie dazu, besonders streng gegenüber Verfehlungen zu sein, und schon kleinen Kindern zu drohen, wenn diese in Gefahr waren, unrechtes zu tun. Das war sehr wirkungsvoll, kaum jemand getraute sich noch, die Ordnung zu brechen. Aber die Menschen lebten in Angst, es war nicht mehr das gemeinsame Ziel nach einem friedlichen Zusammenleben das ihre Ordnung bestimmte, sondern die Angst davor, etwas verbotenes zu tun, etwas, das zu schrecklichen Zuständen führen würde, von denen sie aber nicht mehr wussten welche die sein sollten.

Und so gab es immer mehr Menschen, die an den alten Traditionen zu zweifeln begannen. Erst heimlich, dann fanden sich immer mehr zusammen. Sie entdeckten, dass die Welt nicht so war wie in der alten Tradition gesagt, das machte keinen Sinn mehr. Sie begannen, eine eigene Sprache zu finden für das was sie erkannten und taten. Mit entfernten Dingen begannen sie, die Sterne am Nachthimmel, das Wachstum der Pflanzen über das Jahr, alles was keinen Verdacht der Hüter der Traditionen erweckte. Und die Erfolge dabei bestärkten sie so sehr, bis sie zunehmend auch die Kernthemen der alten Ordnung in Zweifel ziehen konnten, um diese durch eine neue Ordnung zu ersetzen, welche den Menschen dienen sollte statt ungreifbare Traditionen zu befriedigen.

Und so lebten die Menschen wieder glücklich, für eine Weile.

Musiktipp: Don McLean - American Pie

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